Wie entstehen und funktionieren T-Zellen?
T-Zellen gehören zu der Gruppe der weißen Blutkörperchen und üben wichtige Funktionen im Immunsystem aus. Sie teilen sich in zwei Hauptarten auf, die CD4+ T-Helferzellen und die CD8+ zytotoxischen T-Zellen. T-Helferzellen (Th) üben eine zentrale Koordinationsfunktion in der Immunantwort aus. Sie teilen sich in weitere Untergruppen auf und dadurch wird eine Feinregulation der Immunantwort ermöglicht. Die Ausbildung der Th-Zelluntergruppen muss gut reguliert werden, damit unser Immunsystem die geeignete Antwort auf krankmachende Keime anschalten kann. Fehlreaktionen von Th-Zellen können zu immunologischen Erkrankungen, wie z.B. Autoimmunität oder Allergien, führen.
Wie spezialisieren sich Th-Zellen während einer Immunantwort, so dass sie unterschiedliche Funktionen ausüben können? Welche Faktoren und regulatorische Netzwerke spielen dabei eine Rolle? Wie vermeidet das Immunsystem, dass Fehlreaktionen in Th-Zellen stattfinden und welche Prozesse laufen falsch ab, wenn diese eintreten? Einige der vielen wichtigen Fragen, mit denen sich die immunologische Grundlagenforschung beschäftigt und unser Forschungslabor faszinieren, geht es doch auch darum, fundamentale immuno(bio)logische Prozesse zu entschlüsseln. Darüber hinaus wollen wir diese Erkenntnisse auch nutzen, um neue therapeutische Ansätze für T-Zell-vermittelte Immunerkrankungen aufzuzeigen.
Regulation der T-Zell-vermittelten Immunität durch Histondeazetylasen
Eine wichtige Molekülfamilie von T-Zellregulatoren bilden die sogenannten Histon-Deazetylasen (HDAC). HDACs sind essentielle epigenetische Regulatoren, d.h. sie regulieren die „Verpackungsdichte“ der DNA, die bestimmt, welche Information abgelesen werden kann. Die HDACs bilden eine größere Enzymfamilie mit 18 unterschiedlichen Mitgliedern. HDACs entfernen chemische Gruppen an vielen zellulären Proteinen und können so die Aktivität dieser Proteine beeinflussen. HDACs steuern daher neben epigenetischen Prozessen auch diverse zelluläre Vorgänge, aber auch unterschiedliche Krankheitsbilder. Breitbandinhibitoren von HDACs finden bereits in bestimmten Krebstherapien eine Anwendung, und ein weitreichender Einsatz auch für immunologische Erkrankungen, die durch T-Zellen hervorgerufen werden, kann in der Zukunft grundsätzlich erwartet werden. Leider haben die klinisch verwendeten Inhibitoren aber Nebenwirkungen, daher muss noch viel mehr über die Funktion von HDACs in T-Zellen herausgefunden werden, um eine Grundlage für die Anwendung von spezifischeren Inhibitoren zu bilden.
HDACs regulieren die Ablesbarkeit von DNA Information, aber woher „wissen“ HDACs, was abgelesen werden muss? HDACs modifizieren zelluläre Proteine, aber es ist wenig bekannt, wie das dann die Funktion dieser Proteine beeinflusst. Wie verändert sich die Funktion von T-Zellen, wenn man einzelne Mitglieder der HDAC-Familie inhibiert? Und ist die HDAC-Aktivität in Patient:innen, die an Autoimmunerkrankungen leiden, verändert? Das sind nur einige der vielen wichtigen Fragen, die beantworten werden müssen, um spezifischere HDAC-Inhibitoren zur Bekämpfung von Immunerkrankungen einsetzten zu können.
Um auf diese Fragen Antworten zu finden, hat sich ein von mir koordiniertes und im Jahr 2019 gegründetes und vom FWF gefördertes SFB-Forschungsnetzwerk das Ziel gesetzt, unter Einsatz von modernsten Technologien, ein profundes Verständnis über die mannigfaltigen Funktionen von HDAC-Enzymen in der Regulation der T-Helferzellen zu erlangen und die spezifischen Aufgaben einzelner Enzyme dieser großen Proteinfamilie zu charakterisieren. Ein besonderes Anliegen ist der Wissenstransfer zu klinischen Anwendungen, wie etwa die Entwicklung neuer Therapieansätze oder krankheitsspezifischer Biomarker, welche die Effizienz jetziger Therapien steigern und die Nebenwirkungen minimieren können.
Weiterführende Informationen unter: www.meduniwien.ac.at/HIT
Molekulare Analyse des Transkriptionsfaktors MAZR
In den letzten Jahren konnte unsere Gruppe mit Unterstützung durch FWF-Projekte wichtige Beiträge zur Beantwortung der Frage liefern, wie die Entstehung von T-Zellen reguliert wird. Unsere Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass der Transkriptionsfaktor MAZR (Transkriptionsfaktoren regulieren das Abschreiben von DNA in RNA) die Entstehung von CD4+ und CD8+ T-Zellen reguliert. Wir konnten auch zeigen, dass MAZR eine wichtige Rolle in der Entstehung und Funktion von den sogenannten regulatorischen T-Zellen hat. Regulatorische T-Zellen sind eine Untergruppe der Th-Zellen, die wichtig für das Immungleichgewicht sind, da sie potentielle autoreaktive T-Zellen unterdrücken und dadurch die Entstehung von Autoimmunerkrankungen verhindern können. Vermindert man die Funktion von MAZR, entstehen mehr regulatorische T-Zellen, erhöht man die Aktivität von MAZR, nehmen regulatorischen T-Zellen ab. Das bedeutet, dass MAZR ein wichtiger Faktor der regulatorischen T-Zellen ist.
Interessanterweise gibt es mehrere Formen von MAZR (diese unterscheiden sich in der molekularen Struktur; man nennt diese auch MAZR-Isoformen), deren Funktion aber nicht bekannt ist. In weiterführenden Studien wollen wir nun im Detail mit einer Vielzahl von molekularbiologischen und immunologischen Methoden die Funktionen von MAZR-Isoformen aufzuklären. MAZR hat nicht nur wichtige Funktionen im Immunsystem, sondern spielt auch bei der Entstehung gewisser Krebsarten eine wichtige Rolle. Es wurde auch gezeigt, dass MAZR wichtige Prozesse während der Embryonalentwicklung reguliert. Daher erwarten wir durch unsere Studien nicht nur ein besseres Verständnis der Regulation von Immunzellen und medizinisch interessante Einblicke in das Immunsystem, sondern auch neue Erkenntnisse grundlegender biologischer Abläufe.
NCOR1 – ein Regulator der Th-Zell-Differenzierung
Eine Forschungsrichtung in unserem Labor beschäftigt sich mit dem Protein NCOR1, welches die Interaktion von Transkriptionsfaktoren (die das Schreiben von DNA in RNA steuern) mit Chromatin-Regulationsproteinen (die die „Verpackung“ der DNA steuern) vermittelt. Daher spielt NCOR1 eine wichtige und grundlegenden Rolle in der Genexpression in Zellen. Unsere Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass der Faktor NCOR1 wichtig für das Überleben von CD4+ T-Zellen und CD8+ T-Zellen während der T-Zellentwicklung ist. Wir konnten auch zeigen, dass NCOR1 das Transkriptom (d.h. die Summe aller vorkommenden RNA Moleküle in einer Zelle) in CD4+ T-Zellen kontrolliert und daher die Effektorfunktion von T-Helfer-Zellen reguliert. In weiterführenden Studien untersuchen wir nun, wie NCOR1 die Funktion von T-Zellen in Geweben reguliert.