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Geschichte des Instituts

Ein Blick auf die Geschichte des Hygiene-Instituts und seines Gebäudes

Das Jahr 1908 war eine wichtige Zäsur für die Wiener Medizin-Architektur. Die neuen Kliniken am AKH in der Spitalgasse 23 wurden in diesem Jahr ihrer Bestimmung übergeben und auch das Hygiene-Institut in der Kinderspitalgasse 15 wurde 1908 eröffnet.

Zur Geschichte der Hygiene in Österreich
Zu Beginn der 1870er Jahre war die Zeit reif für die Schaffung einer Lehrkanzel für Hygiene an wenigstens einer österreichischen Universität, dies umso mehr, als das benachbarte Königreich Bayern bereits 1865 Hygiene-Lehrkanzeln an seinen Universitäten München, Würzburg und Erlangen errichtet hatte. Das medizinische Professorenkollegium stimmte also am 19. Dezember 1874 für die Errichtung einer Lehrkanzel für Hygiene und deren Besetzung durch den „Privatdozenten für forensische und hygienische Chemie an der Universität in Wien, K. k. Regimentsarzt Dr. Josef Nowak“. Mit der Schaffung der allerdings nur außerordentlichen Lehrkanzel für Hygiene an der Wiener Medizinischen Fakultät war auch im österreichischen Teil der Monarchie das Zeitalter der erstarrten Medizinalpolizei beendet und der hoffnungsvolle Beginn der naturwissenschaftlich fundierten Präventivmedizin angebrochen. Allerdings waren dem Institut nur wenige Labor- und Büroräumlichkeiten in der Schwarzspanierstraße 17 zugeordnet. Wegen der bei der Fülle der Aufgaben immer drückender werdenden Unzulänglichkeit der Arbeitsbedingungen bemühte sich Nowaks Nachfolger Max Gruber um eine besser geeignete Arbeitsstätte.

Das neue Institutsgebäude
Für das neue Institutsgebäude war die Errichtung eines vierstöckigen Neubaus mit einer verbauten Fläche von 3.000 m2 in der Kinderspitalgasse 15 vorgesehen. Es sollte vier Institutionen beherbergen, nämlich das K. k. Hygienische Universitätsinstitut und die angeschlossene K. k. allgemeine Untersuchungsanstalt für Lebensmittel sowie das K. k. Universitätsinstitut für Allgemeine und experimentelle Pathologie und das K. k. Serotherapeutische Institut. Das funktionelle Konzept insgesamt und für die beiden ersten Institutionen im Besonderen wurde von Max Gruber begonnen und nach Grubers Abgang nach München im Oktober 1902 von Schattenfroh, unterstützt durch seine Mitarbeiter Roland Graßberger, Heinrich Reichel, Ernst von Krombholz und Max Eugling, zu Ende geführt. Die beiden anderen, zwar selbständigen, damals jedoch durch Personalunion des Vorstandes Richard Paltauf miteinander verbundenen Institutionen wurden nach dessen Wünschen so geplant, dass sie jederzeit auch getrennt weiter arbeiten können. Die gestalterische Planung wurde an den bekannten Wiener Architekten Ludwig Tremmel (1875–1946) vergeben, die Bauleitung lag bei Oberbaurat Sylvester Tomssa und Statthaltereiingenieur Arthur Falkenau.
Dem Beginn der Erdarbeiten am 16. August 1905 folgte die Errichtung des monumentalen viergeschossigen, blockhaften, an drei Seiten freistehenden Baues. Eine in Wien in dieser Ausdehnung „zum ersten Mal gesehene Spezialität“ waren die in den Straßenfronten eingebauten „Stumpfschen Reformschiebefenster", die in einem Abstande von 5 cm in einem Rahmen zwei Glasscheiben trugen. Der künstlichen Beleuchtung dienten Leuchtgas-Auerbrenner und elektrische Glühlampen, in der Regel Kohlenfadenlampen. Die Heizungs- und Lüftungsanlage führte gefilterte, durch Wassersprays entstaubte und im Sommer gekühlte Außenluft über ein verzweigtes System von Luftkanälen in fast jeden Raum. Der Abführung der verbrauchten Luft aus den Räumen dienten eigene Abluftkanäle. Die Wärmezufuhr zu den Räumen erfolgte durch mit Niederdruckdampf gespeiste Heizkörper und über die Lüftungsanlage.

Beiden Institutsgruppen standen zwei amphitheatralisch gestaltete Hörsäle zur Verfügung. Das Gebäude wurde am 23. Oktober 1908 feierlich eröffnet.

Vom Ende der Monarchie bis heute
Das Schicksal des Gebäudes und der darin Arbeitenden sollte im Verlauf der folgenden 100 Jahre sehr wechselhaft werden. In den 1930er Jahren wurde unter Roland Graßberger die Untersuchungsanstalt für Lebensmittel organisatorisch vom Hygiene-Institut getrennt, verblieb aber weiterhin im Gebäude. Im Jahr 1942 wurde ein Rassenbiologisches Institut eröffnet. Nach Luftdruckschäden durch in der Umgebung aufgetroffene Fliegerbomben wurde durch direkte Treffer im Jänner 1945 der Mitteltrakt des Gebäudes zum Teil bis zum Erdboden zerstört.

Nach dem Eintreffen der russischen Truppen um den 9. April 1945 diente das Gebäude als Truppenquartier. Der erste Nachkriegs-Ordinarius für Hygiene Marius Kaiser begann den Wiederaufbau und weiteren Ausbau des Instituts, den seine Nachfolger Richard  Bieling (1952–1959), Hans Moritsch (1959–1965), Heinz Flamm (1965–1991) und Manfred Rotter (1991–2008) fortsetzten.

In den Jahren 1970 bis 1983 wurden auf Flamms Antrag die Institute für Umwelt-Hygiene (Manfred Haider), für Virologie (Christian Kunz), für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin (Gerhard Wiedermann) und für Sozialmedizin (Michael Kunze) gegründet und im Gebäude untergebracht.

Ein Brand im Feber 1991 verursachte in zwei Stockwerken in mehreren Laboratorien und im Hörsaal große Schäden. In der Folge wurden nicht nur die Schäden behoben, sondern die Institute weiter ausgebaut.

Im Jahr 2009 wurde Hannes Stockinger zum Leiter des nun nue benannten Klinischen Instituts für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie. Zur selben Zeit verschmolz das Institut mit dem Department für Molekulare Immunologie und wurde zum Institut für Hygiene und Angewandte Immunologie, das Hannes Stockinger bis zum Ende des Jahres 2021 leitete. Erwähnenswert ist, dass, im Zuge dieser Veränderungen, das Institut zu einem wichtigen Bestandteil an der Seite des Instituts für Immunologie, des Instituts für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin und des Instituts für Pathophysiologie und Allergieforschung am Zentrum für Pathophysiologie, Infektiologie und Immunologie (CePII) wurde.

Hannes Stockinger diente von Anfang 2010 bis Ende 2019 als Direktor des CePII. In Erfüllung dieser herausforernden Position überwachte er die Entwicklung des Zentrums zu einer der größten und erfolgreichsten Abteilungen für translationale Forschung, die Teil der Medizinischen UniversitätWien ist.

Unter seiner Leitung erlangte die Universität die alleinige Nutzung des Gebäudes, was zu umfangreichen Renovierungsmaßnahmen führte. Zu diesen zählten der Neuanstrich der Fassade, das Einbauen neuer Fenster, Labor- und Büro-Reorganisation und den Umbau des ehemaligen Tierzuchthauses in einen Seminarraum-Komplex.

Heute beherbergt das Gebäude nicht nur das CePII, sondern auch das Zentrum für Public Health und das Zentrum für Virologie. All diese Institutionen sind Organisationseinheiten der Medizinischen Universität Wien.

 

Literatur: Flamm H., 1908–2008 – Hundert Jahre neues Hygiene-Institut der Universität Wien. Wien. Klin. Wochenschr., 120 (2008), 571–580.